Der Tag ist jung und das Frühstück eingenommen. Es gab Kirsch. Ich sitze auf meinem Stuhl und genieße das Unterhaltungsprogramm von Giko und Johannes. Obelix ist verschwunden. Viele Besucher gehen aufgrund guter Live Acts auf Festivals, doch bei uns bekommen sie auch tagsüber Freude geboten.
Ich gucke auf mein Handgelenk und merke, dass ich keine Uhr um habe. Ich gucke in den Himmel, lokalisiere die Sonne und merke, dass ich die Sonnenuhr nicht lesen kann. Eigentlich ist es auch egal. Ich trinke einen Schluck Kirsch. Das kongeniale Duo, Giko und Johannes, stehen auf dem Campingweg und belustigen die Massen. Beide haben jeweils nur ihre Unterwäsche an. Ihr Programm besteht aus Sportübungen, unverständlicher Sprache und einigen Gehässigkeiten. Ich habe ihre Show schon einige Male gesehen und kenne daher die meisten ihrer Pointen, dennoch muss ich herzhaft lachen.
Noch lustiger als die Vorführung sind die Reaktionen der unfreiwillig beteiligten Festivalbesucher. Sie reagieren geschockt, sind empört, sie fangen an schneller zu laufen, sie ignorieren sie, kneifen die Augen zu. Ich frage mich, was diese Leute von einem Festival erwarten wenn nicht genau das.
Plötzlich bin ich selbst geschockt. Eine gutaussehende Dame nähert sich Giko. Ich stehe auf und nähere mich unauffällig, um dem Gespräch zu lauschen.
„Du hast einen tollen Musikgeschmack.“ sagt sie zu Giko.
Ich frage mich, was sie meint. Giko, der außer einer Musikbox und einem Lächeln nichts mehr trägt, spielt seit einer Stunde dieselben drei Lieder rauf und runter. Sie sind nicht mal gut auf einander abgestimmt.
„Ja ich bin auch ein ziemlich toller und gut aussehender Typ.“ prahlt Rico.
Er lallt und ist offensichtlich betrunken. Außerdem ist er dreckig. Doch die Dame scheint diese direkte und ehrliche Art und Weise zu mögen.
„Das bist du allerdings.“ sagt sie.
Giko kichert wie ein Kind. Nicht weil ihm gefällt, was sie sagt, sondern weil er die Situation nicht einordnen kann. Er macht ihr ein sehr direktes Kompliment für ihren Körper, dreht sich zu Johannes und lässt sie stehen. Das geheimnisvolle Verhalten gefällt ihr. Ich bin fasziniert.
Ich stimme das Lied „Can you feel the love tonight“ an und Giko und Johannes gehen sofort drauf ein. Sie singen mit kratziger Stimme. Die Dame bemerkt, dass hier nur wenig zu erreichen ist. Sie geht und im selben Moment versteht Giko, was sie von ihm wollte und rennt ihr hinter her. Als er sie erreicht, tippt er ihr sanft auf die Schulter.
„Ich bin vergeben! Das darfst du nicht!“ sagt er streng.
Sie ist schockiert und geht weiter. Giko kommt im Hopserlauf zurück und widmet sich seinen Zuschauern. Ich setze mich wieder hin und gucke auf mein Handgelenk.
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